Eine Reise

Ich war gestern auf der Ampersand in Brighton. Unterwegs war mich mit Herrn N. aus E. und wir reisten mit seinem Auto und der Fähre. Ich selbst fuhr mit dem Zug nach Essen um diesen Roadtrip antreten zu können.

Brighton ist eine wunderschöne Stadt am mehr mit einer unendlich langen Uferpromenade. An eben dieser parkten wir für den Gegenwert des Bruttoinlandsproduktes Simbabwes. Wir münzten bis für einen Aufenthalt bis heute morgen um neun. Nach einem mehr als durchschnittlichen Frühstück checkten wir aus und waren vier Minuten nach neun am Auto. Die letzten Yards des Weges davon im Sprint.

Der Mann im im blauen Hemd und mit blauer Mütze, der gerade sehr genau unser Parkticket musterte. Wild gestikulierend rannten wir auf ihn zu und konnten einen Strafzettel oder die Kralle abwenden können. Ein lachender, älterer Herr führt seinen Hund an uns vorbei und ruft uns mit einem lächeln zu: „That was close. It‘s your lucky day!“.

Insgesamt kamen wir sehr gut durch und waren deutlich früher am Fähranleger, als unsere gebuchte Überfahrt erfordert hätte. Also versuchten wir im Reisezentrum auf eine frühere Fähre umzubuchen. „Grundsätzlich ginge das“, eröffnete die nette Dame am Schalter. Allerdings gäbe es nur eine einzige Fähre ihrer Gesellschaft, die früher führe. Eine dreiviertelstunde früher und nicht nach Calais sondern nach Dunkerque. Außerdem würde die überfahrt eine halbe Stunde länger dauern. Extrakosten würden uns durch die Umbuchung nicht entstehen.

Immerhin früher auf der Fähre und Dunkerque ist auch noch ein paar Minuten näher an Essen, also »warum nicht?«. Wir checkten ein, ließen umbuchen und stellten uns brav in Reihe 110. Plötzlich begann das boarding relativ kurz nach unserer Ankunft. Ganz schön früh für eine Fähre, die erst in knapp zwei Stunden ablegt. Offenbar sind wir noch als eines der letzten Autos auf diese Fähre gekommen, die man vorne im Reisezentrum schon abgeschrieben hatte, weil es zu knapp war.

Gut gelaunt und zurück in Kontinentaleuropa fuhren wir durch Frankreich, Belgien (welches mittlerweile meine Wertung für die irrsten Autofahrer Europas anführt) und die Niederlande. Jetzt steuern wir also deutlich zu früh auf die Deutsche Grenze zu. Durch die fantastischen Roamingtarife der Telekom also die Idee, mal zu schauen, welche früheren Züge ich aus Essen zurück in Richtung Heimat nehmen kann.

Tatsächlich gibt es einen ICE, der ebenfalls ca. zwei Stunden früher in Essen abfährt. Um 18.59 Uhr. Der Blick scheift zur Navigationseinheit: voraussichtliche Ankunft um 19:09. Ja schade, bis hier war es ja wirklich unser »Lucky Day«. Der Blick fällt zurück auf die Bahnapp. Der Zug hat ca. 5 Minuten Verspätung. Also (im Rahmen des durch das Punktekonto in Flensburg Möglichen) Vollgas Richtung Essen Hauptbahnhof. Um 19:07 springe ich aus dem Auto, reiße den Großteil meiner Habseeligkeiten aus dem Kofferraum und renne los. Keine Ahnung wo lang aber das Ziel ist Gleis 6.

Nach kurzem Verwirrspiel, weil in Essen ein Aufgang drei Gleise hat, stürme ich vollgepackt die Rolltreppe hinauf. Auf dem Gipfel angekommen brüllt mir ein Reisebegleiter, der meine Situation im Bruchteil einer Sekunde erfasst, aus der Tür entgegen.

Zugbegleiter: „HAAAAAMBUUUURCH?“.
Ich: „ÜBER BREEEEMEEEN?“
Zugbegleiter: „NEEEE“ (Tür schließt, Stimme wird leiser)
Ich: (sacke enttäuscht zusammen)
in einem filmreifen Spannungsbogen schiesst in letzter Sekunde eine Hand durch die gerade schließende Tür, blockiert den Schließmechanismus und verhindert damit die Abfahrt
Zugbegeleiter: „DOOOOOOOOOHOOOCH!“
Tür öffnet sich

Ich werfe meine Taschen und mein iPad in den losfahrenden Zug und springe auf (vielleicht ist diese Szene in meinem Gedächtnis jetzt schon minimal überzeichnet. Tatsächlich bin ich wohl ganz normal eingestiegen).

Jetzt sitze ich im Zug nach Bremen und tippe diese Zeilen, die für mich ganz gut eine Lektion als Selbständiger/Freelancer/Kleinunternehmer veranschaulichen. Zwar plant man permanent alles mögliche durch, aber durch Änderungen auf dem Weg kommt sowieso anders. Hier sind wir permanent Abhängig von Zufall, Glück und manchmal auch den eigenen Taten. Wo auch immer das hinführt, es gilt ruhig zu bleiben und das beste draus zu machen. Am Ende ist man nämlich früher zuhause.